Es ist noch nicht lange her, aber bereits gründlich vergessen: die Vertreibung von über hunderttausend Armeniern aus der
Region Bergkarabach vor etwas mehr als einem halben Jahr. Sie ist der vorläufige Endpunkt eines
jahrzehntelangen Konfliktes in dem es auch zu massiven Vertreibungen von Aserbaidschanern durch Armenien gekommen war, 600.000 Flüchtlinge hatte es 1992 gegeben. "Was folgt, ist ein Bericht über die letzten Tage einer
verschwundenen Gesellschaft, erzählt von sechs Frauen, die ihr Verschwinden überlebt haben",
schreibt Sohrab Ahmari im neuen amerikanischen Online-Magazin
Compact (
about). "Basierend auf
ausführlichen Interviews mit den Frauen, die in Armenien selbst geführt wurden, stellt diese Erzählung die erste 'oral history' eines der
deutlichsten Fälle von ethnischer Säuberung im 21. Jahrhundert dar, die am helllichten Tag und unter
minimalem Protest aus westlichen Hauptstädten durchgeführt wurde." Die Frauen schildern ein Chaos aus Hungersnot wegen der aserbaidschanischen Blockade, dann hektischen Fluchten innerhalb Bergkarabachs wegen der Angriffe der aserbaidschanischen Armee. Aber es kam auch zu
Momenten trügerischen Friedens vor dem Exodus. "Als ich nach Hause kam, pflanzte mein Mann gerade
Koriander im Garten", erinnert sich die 34-jährige
Naira Danielyan, eine der vom Autor befragten Frauen. "Wenn ich jetzt zurückblicke, weiß ich nicht, ob ich
verrückt,
naiv oder
patriotisch war. Aber obwohl wir das Geräusch der Panzer und anderer schwerer Militärtechnik hören konnten, die im Rahmen des Waffenstillstands an die Aseris übergeben wurden, fühlte ich mich ruhig. Ich ging in unser Schlafzimmer und schlief zum ersten Mal seit langer Zeit tief und fest. Dies ist mein Zuhause, sagte ich mir. Mein Verstand wusste, dass jederzeit alles passieren konnte. Aber ich war in meinem Zuhause."