Alexandar Tisma

Erinnere dich ewig

Autobiografie
Cover: Erinnere dich ewig
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2021
ISBN 9783895611971
Gebunden, 312 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Mit einem Nachwort von Nachwort von Ilma Rakusa. Ein Glossar und ein Personenverzeichnis finden sich am Ende des Bandes. Er war der Chronist der Vielvölkerstadt Novi Sad, in der er fast sein ganzes Leben verbrachte, und ein großer europäischer Schriftsteller. In seinen Romanen und Erzählungen erforscht Aleksandar Tišma die menschliche Existenz in ihrer ganzen Tiefe, zeigt die Abgründe der Gewalt und den Irrsinn der Liebe. "Erinnere dich ewig" erzählt von Aleksandar Tišmas eigenem Leben. Davon, wie er, 1924 als Sohn einer ungarischen Jüdin und eines serbischen Kaufmanns geboren, von Beginn an zwischen den Sprachen, Religionen, Kulturen wandelte. Davon, wie seine Jugend in den Wirren des Krieges versank, vom kommunistischen Regime unter Tito und dem Gefühl, in Jugoslawien eingesperrt zu sein. Tišma zeichnet sein Ringen um einen eigenen schriftstellerischen Ausdruck nach, berichtet von schicksalsreichen Bekanntschaften und mit großer Zärtlichkeit von seiner Beziehung zu seiner sterbenden Mutter.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.08.2021

Rezensent Andreas Breitenstein gibt zu, dass Aleksandar Tismas Autobiografie nicht die Wucht der Romane des Autors hat, ja sogar allzu rührselige Momente hat. Dennoch bleiben ihm Tismas Erinnerungen im Gedächtnis, weil der Autor die Balance zwischen privatem Selbstporträt und Epochenbild hält. Zentrum der Erzählung über einen "ewig Unzugehörigen", die für Breitenstein auch eine europäische Gewaltgeschichte ist, ist Novi Sad. Sprachlich betont nüchtern, aber psychologisch und soziologisch klar berichtet der Autor laut Rezensent von seinen serbisch-orthodoxen bzw. ungarisch-jüdischen Wurzeln und von den Massakern der Faschisten. Das Nachwort von Ilma Rakusa scheint Breitenstein wertvoll.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 15.05.2021

Marko Martin nimmt Aleksandar Tismas endlich auf Deutsch erscheinende Autobiografie zum Anlass, das Werk des Autors neu zu entdecken. Aber auch für sich genommen scheint ihm das Buch lesenswert, erzählt es doch von Tismas Überleben des Zweiten Weltkriegs, der Tito-Diktatur, des Arbeitslagers sowie von den Motiven seines Schreibens, seinen "lebensweltlichen Umständen", wie Martin schreibt. Als "illusionsloser Beobachter" von Widersprüchen und Ängsten erweist sich der Autor laut Martin auch in dieser Rückschau. Das ehemalige Jugoslawien und vor allem Novi Sad gelangen hier wie in Tismas Romanen auf die literarische Landkarte, so Martin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.04.2021

Rezensent Michael Martens hofft, dass die späte deutsche Fassung von Aleksandar Tismas Autobiografie den Autor vor dem Vergessenwerden rettet. Vor allem wegen seiner Romane scheint es Martens angebracht. Den vorliegenden Band möchte er zwar nicht mit Tismas fiktionalen Texten vergleichen, aber fiktional scheint ihm auch hier einiges. Wenn Tisma über den Tod seiner Mutter und den seiner Heimat Jugoslawien schreibt, zeigt sich Martens berührt. Tragikomisch kommen ihm manche Szenen im Buch vor. Eher unsympathisch und egozentrisch wirkt der Autor auf ihn, wenn er ausdauernd über sein Faible für Frauen als Objekte schreibt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.03.2021

Sehr eingehend, zugleich kenntnisreich und mit großer Emphase bespricht Wolfgang Schneider diesen Band. "Unzugehörigkeit" - so benennt er Aleksandar Tismas Grundgefühl. Vieles scheint sich daraus abzuleiten: einerseits real die Angst, als Jude verfolgt zu werden, andererseits seine obsessive Jagd nach Frauen und seine Beobachtungsgabe, die ihn zu seinen großen Romanen und zuletzt zu dieser Autobiografie befähigte. Als Unzugehöriger war er auch trotz aller Kritik ein Anhänger des alten Jugoslawien, wo man eben Jugoslawe war und sich nicht einer ethnischen oder nationalen Gruppe zurechnen musste, erzählt Schneider. Bewegend ist für den Rezensenten, dass Tisma mit dem entscheidenden Jahr 1991 nicht nur einen politischen, sondern auch einen intimen Rahmen setzt, denn dies ist auch das Jahr, in dem Tisma seine demenzkranke Mutter im Heim versorgte und täglich besuchte. Sie hat in trotz ihrer Verwirrtheit die entscheidende Frage im Umbruchjahr gestellt: "Lassen sie dich in Ruhe?" Denn mit den Kriegen brach der alte Hass wieder aus. Schneider empfiehlt die Autobiografie als rückhaltlos ehrlich und als Einblick in den Umbruch und in Tismas Leben. Danach, so Schneider, sollten wir Tismas Romane neu lesen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 09.03.2021

Die im Original bereits vor zwanzig Jahren erschienene Autobiografie von Aleksandar Tismar sollte reichen, um den serbischen Schriftsteller aus der Vergessenheit zu holen, meint Rezensent Jörg Plath. Schnell wird der Kritiker wieder von dem unverwechselbaren Sound des Autors, dessen Romane in den Neunzigern als Kommentare zum Jugoslawien-Krieg gelesen wurden, in den Bann gezogen. Er begleitet den 1924 geborenen Schriftsteller bei seiner gnadenlosen "Selbsterforschung", liest, wie die Spannungen zwischen der jüdisch-ungarischen Mutter und dem serbischen Vater in den Hintergrund treten, als das faschistische Ungarn Serbien besetzt und wie Tisma mit seiner Großmutter vor dem Massaker nach Budapest flieht. Neben dem inneren Ringen um das Schreiben Tismas liest Plath auch von dessen politischen "Selbstanklagen": Zeitweise schrieb Tisma für die Belgrader Parteizeitung und trat der Partei bei, wofür er sich gleichzeitig verurteilte, erklärt der Rezensent. Lesenswert findet er das Buch nicht zuletzt wegen der "unbestechlichen" Beobachtungsgabe des Autors.