Andrea Giovene

Die Autobiografie des Giuliano di Sansevero

Band 1: Ein junger Herr aus Neapel
Cover: Die Autobiografie des Giuliano di Sansevero
Galiani Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783869712659
Gebunden, 304 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Moshe Kahn. Giuliano di Sansevero wächst auf in der verfallenden Pracht der Paläste seiner Vorfahren; während des Aufenthalts in einer nahe bei Neapel gelegenen Klosterschule bricht der Erste Weltkrieg aus. Im Schatten des Krieges und in der turbulenten Zeit danach erwachen im jungen Giuliano die Liebe zu den Büchern, das Interesse am weiblichen Geschlecht - und die Neugier auf die Welt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.01.2023

Dass Andrea Giovenes vor mehr als fünfzig Jahren publizierte Romanreihe um den jungen Adligen Giuliano di Sansevero nun auch auf Deutsch erscheint, ist für Rezensent Tim Caspar Boehme ein Anlass zur Freude. Gespannt verfolgt er die genauen, mal nüchternen, mal ironisch gebrochenen Schilderungen aus dem Leben des Heranwachsenden, die von eigenen Erfahrungen des Autors inspiriert sind, die sich um Giulianos Erlebnisse im Kloster, aber auch um Familien- und Zeitgeschichte  drehen. Dass auch der aufkommende italienische Faschismus nicht ausgespart wird und die Handlung um die oft mit charakterlichen Schwächen ausgestatteten Familienmitglieder erstaunlich wenig Adelsdünkel enthält, überzeugt den Rezensenten noch zusätzlich. Der "introspektive Tonfall" ist gewöhnungsbedürftig, räumt er ein, aber die Lektüre unbedingt lohnenswert, ist sein Fazit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.12.2022

Rezensentin Christiane Pöhlmann geht hart mit diesem Werk ins Gericht. Andrea Giovene erzählt in seinem Romanzyklus die fiktive Autobiografie des Giuliano di Sansevero, der in seinem Lebensweg - aristokratische Herkunft, Klostererziehung, Erster Weltkrieg - Parallelen zum Autor aufweist und druchaus als Jahrhundertzeuge taugen könnte, wie Pöhlmann einräumt. Aber er tue es nicht. Das liegt zum einem am altfränkischen Ton, der über alle fünf Werke unverändert bleiben und in starkem Kontrast zu all den Umbrüchen steht, von denen der Ich-Erzähler berichtet. Zum anderen aber auch am mangelnden Interesse des Erzählers für seine Umgebung und die Verhältnisse. Das unterscheidet ihn ganz eindeutig von Proust oder Lampedusa, stellt die Rezensentin klar. Dass sich dieser Giuliano di Sansevero schließlich auch noch als ausgesprochen kaltherziger Mann erweist, verleidet der Rezensentin vollends die Lektüre. Die Bedeutung des Werks stellt sie vehement in Frage.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2022

Rezensent Thomas Steinfeld staunt über den Wagemut des Galiani Verlags, die fünfbändige Adelschronik von Andrea Giovene in deutscher Übersetzung herauszugeben. Zunächst kaum bemerkt, in den Sechzigern ein großer, aber kurzer Erfolg, wurde das Werk schnell vergessen, bis es 2012 in Italien neu aufgelegt wurde, allerdings mit mäßigem Erfolg, informiert der Kritiker. Und doch ist er froh über die Chance zur Lektüre, führt ihn der neapolitanische Schriftsteller doch an der Seite des Adelssprosses Giuliano durch ein italienisches Aristokratenleben, beginnend in einer Kindheit vor dem Ersten Weltkrieg bis in die späten Fünfziger. Steinfeld begleitet jenen Giuliano von einer Kindheit im Palazzo unter der Knute des herrschenden Vaters ins rigide Klosterleben,  bald ins Studium ohne ernsthaftere Absichten und schließlich zur Kavallerie. Der Erste Weltkrieg und der Faschismus sind als Hintergrundrauschen zu vernehmen, Giovene konzentriert sich vielmehr auf das Private, um das Tableau einer untergegangenen Welt zu entwerfen, erklärt der Rezensent, der nicht zuletzt bewundert, wie Moshe Kahn die lebendige, "bildungsgesättigte und syntaktisch virtuose" Sprache Giovene ins Deutsche übertragen hat. Und auf die drei noch folgenden Bände freut sicher der Kritiker auch schon.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 29.08.2022

Rezensentin Maike Albath widmet sich dem ersten Band von Andrea Giovenes fünfbändigem Riesenwerk in der laut Rezensentin eleganten Übertragung von Moshe Kahn. Wie der Autor die Vita seines halb authentischen, halb erfundenen adligen Helden als Lebenserinnerungen im Stile Ippolito Nievos oder auch Casanovas gestaltet, erscheint ihr faszinierend, auch wenn Giovene im ersten Band vor allem beschreibt und statische Tableaus, unterbrochen von essayistischen Passagen, abliefert, wie die Rezensentin feststellt. Lässt die Leserin sich auf dieses zeithistorische Fresko des 20. Jahrhunderts und den langsamen Rhythmus Süditaliens ein, wird sie mit "berückenden Momenten" belohnt, verspricht Albath.