Mark Aldanow

Der Anfang vom Ende

Roman
Cover: Der Anfang vom Ende
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783498003357
Gebunden, 688 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Andreas Weihe. Mit einem Vorwort von Sergej Lebedew und einem Nachwort von Andreas Weihe. Ein sowjetischer Botschafter und seine Entourage, ein berühmter französischer Schriftsteller und sein junger Sekretär, der einen Mord wie aus einem Dostojewski-Roman begehen wird: Die unterschiedlichsten Schicksale treffen aufeinander in diesem 1943 erstmals erschienenen Roman. Hauptschauplatz ist Paris Ende der 1930er-Jahre. Der "Anfang vom Ende" des alten Europa liegt in der Luft, letzte Auftritte einstiger Herrschaften wirken wie aus der Zeit gefallen. Die drängenden Fragen jener Jahre, die die Figuren auf verschiedene Weise beschäftigen, spiegeln sich auf fast unheimliche Weise in denen der Gegenwart: Macht und Ohnmacht der Demokratie, die Bedeutung von Kunst, der Zusammenhang von Nationalismus und Diktatur, der Verfall humanistischer Werte. Mark Aldanow erzählt in diesem Gesellschaftsporträt von einem Epochenbruch, wie wir ihn fast hundert Jahre später ähnlich wieder erleben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.08.2023

Im Rahmen seiner kleinen Ukraine-Bibliothek stellt Kritiker Christian Thomas diesen nach achtzig Jahren erstmals von Andreas Weihe ins Deutsche übertragenen Roman von Mark Aldanow und in dem Zuge gleich auch die Geschichte seines Autors vor: Ein "Meisterwerk" sei das Buch, in dem ein Revolutionär über das Böse nachdenkt, in das er selbst im Zuge des Bolschewismus verstrickt ist, und mit dem er und seine Mit-Protagonisten auch im Spanischen Bürgerkrieg wieder konfrontiert werden. Der Autor indes musste vor der Oktoberrevolution nach Paris und noch später nach New York fliehen, weiß Thomas, dem sowjetischen Regime, dessen Ähnlichkeiten zu den Nazis ihm als einem der ersten aufgefallen waren, war er ein Dorn im Auge. In diesem Roman wird der "gigantische Schwindel einer gewalttätigen Epoche" verhandelt, zeigt sich der Rezensent schwer beeindruckt, so passt die Geschichte auch gut in die heutige, krisengebeutelte Zeit und steht für ihn auf einer Stufe mit Dostojewski oder Gogol.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.08.2023

Rezensent Ulrich M. Schmid erklärt zunächst einmal ausführlich, weshalb sich der russische Exilautor Mark Aldanow weder beim russischen noch beim westeuropäischen Publikum je richtig durchsetzen konnte - obwohl er dreizehn Mal für den Literaturnobelpreis nominiert war: Aldanows unter anderem an Tolstoi geschulter Ton, die Feier des "Altmodischen, Sperrigen", hatte sich zwischen den Weltkriegen schlicht überlebt, meint Schmid. Dass Aldanows erstmals 1943 vollständig - und nur in englischer Übersetzung veröffentlichter Roman "Der Anfang vom Ende" nun in brillanter deutscher Übersetzung von Andreas Weihe und mit einem "luziden" Vorwort von Sergei Lebedew auf Deutsch vorliegt, ist für den Kritiker ein Gewinn: Nicht nur als "Diagnose der Erkrankung Europas an totalitären Ideologien" liest Schmid diese finstere Zukunftsversion, auch wie Aldanow seine Version von Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" in den Roman einflicht, beeindruckt den Rezensenten.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.06.2023

Für Rezensent Fabian Wolff ist Mark Aldanows Roman ein lesenswerter Klassiker der russischen Literatur. Das Buch wurde 1940 erstmals in den USA veröffentlicht, lesen wir. Drei russische Agenten werden von der Sowjetunion nach Paris geschickt, dort haben die Säuberungsaktionen schon begonnen, man kann sich nicht mehr vertrauen, resümiert der Kritiker. Im Vordergrund steht für Aldanow allerdings die chaotische politische Situation kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, deren Teil die Figuren sind, ohne sie zu überblicken, lesen wir. So aktuell, wie Sergej Lebedew es im Vorwort suggeriert, ist das Buch aber nicht, findet der Kritiker. Auch wenn sich in der Figur des Diplomanten Wislicenus eine Geschichte russischer Gewalt fortschreibt, ist Aldanows Roman viel zu traditionalistisch, um damit das Heute zu dechiffrieren, meint er.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.06.2023

Ein umfangreiches Loblied widmet Rezensent Ulrich Rüdenauer dem nach 80 Jahren nun auch auf Deutsch erscheinenden Roman von Mark Aldanow, der zwar 13 Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, ihn aber bis zu seinem Tod 1957 nie erhalten hat. Und dabei wäre dieser Roman, der im immer stärker zerfallenden Europa der dreißiger Jahre spielt, durchaus preiswürdig: Drei sowjetische (Ex-)Kader treffen sich zufällig im Zug, sie sind nicht nur von einer schönen Parteisekretärin umgeben, sondern auch von Misstrauen, Verrat und Unsicherheit. Der Terror der UDSSR ist hier so prägnant wiedergegeben, wie es Rüdenauer kaum zuvor gelesen hat, in dieser Radikalität liegt für ihn auch das Movens, dass dieser Roman so lange dem Schweigen überantwortet wurde. Jetzt ist es aber dringend Zeit für eine Wiederentdeckung - nicht zuletzt, weil sich doch frappierende Parallelen zu aktuellen Geschehnissen finden lassen, schließt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 16.06.2023

Achtzig Jahre nach der Erstausgabe erscheint dieser Roman nun auch auf Deutsch - endlich, freut sich Rezensent Cornelius Wüllenkemper. Drei sowjetische Diplomaten, die Stalins Interessen im Paris der 30er Jahre vertreten sollen, sind die Hauptfiguren, erzählt der Kritiker. Einer von ihnen ist ein Agent des Komintern, der die anderen überwachen soll. Angst haben sie alle. Den Hintergrund bilden Banker und Literaten, Aristokraten und Bolschewiken, Franzosen, Russen und Deutsche, die in den Salons über Gesellschaftsmodelle diskutieren, so der Rezensent, der das mit großem Interesse gelesen hat, zumal Aldanow bereits in dieser Zeit Ähnlichkeiten zwischen Bolschewisten und Nazis erkannt hatte, lesen wir. Ein hochaktuelles Buch, so Wüllenkemper, das Andreas Weihe in "zeitgenössisches Deutsch" übertragen habe.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.06.2023

Rezensent Adam Soboczynski rät im Allgemeinen zur Vorsicht bei Superlativen, aber bei diesem Roman des russischen Schriftstellers Mark Aldanow, der im Original schon 1943 erschien, kann er einfach nicht anders: ein "großes und unerwartetes Meisterwerk" liest er hier, das zudem so aktuell ist, dass es der Kritiker kaum glauben kann. Es geht um eine russische Delegation, die von Moskau nach Paris gesendet wird. Ihr Auftrag ist "aufreizend unklar", man wartet auf Befehle und trifft bei Empfängen auf die Pariser Literaturwelt. Dabei zeigt sich, dass die Agenten ihren Glauben an den Kommunismus längst verloren haben. Der Kritiker bewundert, wie Aldanow faszinierende "Psychogramme" seiner Figuren entfalten kann und deren Angst, Zynismus und Selbstbetrug offenbart, ohne die Empathie für sie zu verlieren. Dabei ist der Roman literarisch so avantgardistisch wie unterhaltsam, gar mit einer Neigung zum Slapstick, verspricht Soboczynski. Die postmoderne "Beliebigkeit des moralischen Urteils" teilt Aldanow aber nicht, schließt der Kritiker, das "furiose Finale" ist ein entschiedenes Plädoyer für den Liberalismus und gegen die Gewalt des Totalitarismus. Womöglich lag es daran, dass die eher linke Literaturkritik diesem Stalin verdammenden Roman so lange desinteressiert gegenüberstand, obwohl Autoren wie Walter Benjamin und Iwan Bunin vor ihm den Hut zogen, denkt sich der Kritiker.