Micha Brumlik

Deutscher Geist und Judenhass

Das Verhältnis des philosophischen Idealismus zum Judentum
Cover: Deutscher Geist und Judenhass
Luchterhand Literaturverlag, München 2000
ISBN 9783630880037
Gebunden, 351 Seiten, 24,54 EUR

Klappentext

Der deutsche Idealismus fällt in eine Zeit der weltanschaulichen Neuorientierung. Der Zeitraum nach der Französischen Revolution war in Deutschland die Epoche der Judenemanzipation. Auf der anderen Seite ist es auch die Zeit eines aufkommenden neuen Antisemitismus, der in seiner späteren Hochphase ideologisch Bezug auf die großen deutschen Philosophen genommen hat. Vor diesem Hintergrund fragt Micha Brumlik nach dem Verhältnis der deutschen Idealisten zum Judentum. Die Spanne reicht von Kant, der die Erhabenheit des Gesetzes im Judentum bewunderte, aber Vorurteile gegenüber seinen jüdischen Bekannten hegte, über Fichte, dem ohne persönliche Leidenschaft argumentierenden Judenfeind, bis zu Marx, dem Juden unsympathisch blieben, obwohl er selber einer war. Brumlik zeichnet dieses von Hass bis Achtung reichende, hochkomplexe Verhältnis nach, das den Deutschen Idealismus stärker prägte, als bisher angenommen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.01.2001

Die Frage, ob es einen linken Antisemitismus gebe, habe bereits für Aufregung gesorgt, dieses Buch werde möglicherweise Ähnliches bewirken, schreibt Martin Jander in seiner Besprechung und begründet seine Vermutung mit der Fundiertheit von Brumliks Kritik. Diese nimmt sich nicht weniger als die "Kernbestandteile der Philosophie aus Deutschland" vor, um sie auf ihre antisemitischen Ausfälle zu untersuchen. Und wird fündig: Wer glaube, seinen Kant, seinen Schleiermacher oder Marx zu kennen, meint Jander, der werde hier eines Besseren belehrt. Dass der Autor nicht bei den "teilweise unglaublichen" Ausfällen der Geistesgrößen stehenbleibt, sondern sie in den Zusammenhang ihres Denkens einordnet, scheint dem Rezensenten ein zusätzliches Plus des Buches, das, so gibt Jander zugleich zu bedenken, "durch die Vielfalt der philosophischen und theologischen Bezüge" nicht eben einfach zu verstehen sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.01.2001

Martin Lüdke kann dem Autor in seiner Untersuchung zum Antisemitismus der idealistischen Philosophie in großen Teilen nicht zustimmen. Trotzdem würdigt er die Studie für ihre "oft luziden, aufschlussreichen Analysen" und lobt den Autor, Pädagogikprofessor und Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, für seine "umfangreichen, theologischen Kenntnisse" und "fundierten Einschätzungen". Allerdings sieht der Rezensent besonders in den Überlegungen zum Judenhass bei Kant, Marx und Hegel sowohl "methodische Schwierigkeiten" als auch problematische Deutungen, wenn z. B. die Herr - Knechtbeziehung bei Hegel aus dem Verhältnis von Christentum und Judentum erklärt wird, was dem Rezensenten "nicht einsichtig geworden ist". Positiv hebt er hervor, dass in den Ausführungen Brumliks "aktuelle Bezüge" sichtbar werden, auch wenn er findet, dass die "Rück-Projektion späterer Entwicklungen auf die historischen Tatbestände" mitunter zu verzerrten Schlüssen führt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.01.2001

Ziemlich detailliert setzt sich Rezensent H.D. Kittsteiner mit Micha Brumliks Studie über antisemitisches Gedankengut im deutschen Idealismus auseinander und steigt auch inhaltlich auf dessen Beweißführung ein. Seine Bilanz ist durchwachsen. Zwar stellt Brumlik seiner Meinung nach die richtige Fragen, mit den Antworten sei er aber bisweilen etwas vorschnell. Deswegen benötigt dieses Buch einen Leser "der hin und wieder ein Fragezeichen an den Seitenrand" setzt. Zum Beispiel im Fall von Kant ist der Rezensent mit Brumliks Schlussfolgerungen nicht zufrieden. Er schließt sich der Meinung des Autors nicht an, dass Kant per se antisemitisch ist, sondern liest vielmehr aus Kants Werk dieselbe Skepsis gegenüber dem Christentum. Auch Fichte und Hegel werden für Kittsteiners Begriffe nicht ganz fair rezipiert: "In Brumliks Buch mischt sich Wissenswertes, vorgeführt an prägnanten Zitaten, mit einer durchaus anfechtbaren Weise, diese Zitate in ihren Kontext zu stellen". Der Rezensent sieht an verschiedenen Stellen von Brumliks Buch Goldhagens Ansatz - angewendet auf den Idealismus - durchschimmern und findet das bisweilen problematisch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2000

Die antisemitische Grundhaltung der Philosophen des Idealismus ist in vielerlei Zusammenhang nachgewiesen worden, allerdings häufig eher versteckt. In Micha Brumliks Buch "Deutscher Geist und Judenhass" ist das Thema dagegen Hauptgegenstand. Dabei wird nichts beschönigt, entschuldigt oder als Ausrutscher dargestellt, konstatiert Rezensent Roland H. Wiegenstein. Er stellt dem Leser die These, dass sich die Philosophen der deutschen Aufklärung, anders als die Franzosen, nie gänzlich von der Religion und den Auswirkungen der christlichen Erziehung lösen konnten( und sei, wie bei Kant oder Marx, auch nur noch eine kritische Distanz geblieben), als grundlegende Überlegung des Autors vor. Im Postulat von der Vorherrschaft der Vernunft habe jegliche Form der Religiösität keinen Platz gehabt, und schon gar keine jüdische mit ihren strengen Gesetzen. Dass die Aufklärer sich somit, wenn auch weniger polemisch, auch von den christlichen Religionen distanzierten, werde dabei häufig übersehen. Neben dieser sowohl für Kant, Hegel, Fichte Schleiermacher und Marx zutreffenden Grundprämisse gibt der Rezensent jeweils einen kurzen Überblick über die Kerngedanken des Autors zu jedem einzelnen Philosophen bezüglich der gegebenen Fragestellung.