Michela Murgia

Drei Schalen

Cover: Drei Schalen
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783803133632
Gebunden, 160 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Esther Hansen. Eine Frau sucht einen Namen für ihren Tumor. Eine andere holt sich die Pappfigur eines Popsängers ins Haus, als der geliebte Sohn auszieht. Eine Kinderhasserin bietet sich ihren Freunden als Leihmutter an. Aus Angst, seiner Exfreundin zu begegnen, traut sich ein Mann kaum noch vor die Tür, und eine Verlassene kann die Trennung buchstäblich nicht verdauen.Die Protagonisten von Michela Murgias Geschichten erleben alle auf ihre Weise einen radikalen Umbruch: Sie verlieren sämtliche Gewissheiten - und finden die unterschiedlichsten Antworten auf das, was ihnen geschieht. Sie treffen ungewöhnliche Entscheidungen, kämpfen ums Überleben, erfinden sich neue Rituale oder wählen die kontrollierbare Katastrophe, um der unkontrollierbaren zu entgehen.Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung erzählt Michela Murgia in zwölf miteinander verflochtenen Geschichten von Krankheit und Tod, von Trauer und neuer Liebe, von der Kunst des Abschiednehmens und der des Weiterlebens.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.03.2024

Das Buch der im letzten Sommer verstorbenen Michela Murgia liest Rezensentin Anne Kohlick mit großem Interesse. Hier sind 12 Kurzgeschichten versammelt, wovon die erste "sklavisch autobiografisch" ist und von Murgias Nierenkrebsdiagnose erzählt. In den anderen geht es um den Wahnsinn des Alltags: so arbeitet eine "obrigkeitsgläubige Putzfrau" für einen General, der die nationale Impfkampagne organisiert oder eine Hausfrau bestellt sich eine "lebensgroße Pappfigur" des K-Pop-Stars Jimin und schließt sich damit abends ein, lesen wir. Der beißende Humor von Murgia war in anderen Werken schon stärker, schreibt Kohlick. Doch Murgias Geschichten, die lose miteinander verbunden sind, laden die Leser dazu ein, selber über den Fortgang der Geschichten nachzudenken, schließt die Kritikerin.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.03.2024

Nicht das beste Buch einer wichtigen Literatin liegt hier vor, so Rezensentin Francesca Polistina. Michela Murgia verarbeitet in der ersten der zwölf Erzählungen des Bandes Polistina zufolge möglicherweise ihre eigene Krebserkrankung, wobei die Autorin selbst eine strikt autobiografische Lesart ablehnt. Auch in den anderen Geschichten geht es um spontan eintretende Lebenskrisen, die unter anderem mit Beziehungsproblemen und Pandemien zu tun haben. Ganz gelungen ist das nicht, meint die Rezensentin, sowohl die Figuren als auch ihr Handeln wirken teils bizarr, die Texte lesen sich insgesamt weniger eindringlich wie etwa Murgias politische Interventionen. Hier geht es eher um die Verarbeitung eines persönlichen Schicksals, vermutet Polistina.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.02.2024

Es scheint Rezensentin Judith von Sternburg, als habe Michela Murgia sich mit ihrem letzten Buch dem Tode annähern, sein Terrain schon einmal auskundschaften wollen, bevor sie ihm August 2023, wie erwartet, erlag. So ist der Tod in jeder der zwölf behutsam verknüpften Geschichten gegenwärtig, seine Gegenwart jedoch keine Bedrohung, eher eine Notwendigkeit, eine Gegebenheit, der man nicht entfliehen kann. Die Autorin geht gefasst und originell mit dieser Gegebenheit um, findet von Sternburg. Von einer schlaflosen Frau erzählt sie, die nach dem Auszug ihres Sohnes, einen Pappaufsteller anschafft und eine ungewöhnliche Beziehung zu diesem aufbaut. Von einer Trainerin erzählt sie, die eine tote Ratte im Müll entsorgen will, dort aber einen zerknickten Pappaufsteller findet. Murgias großartige Geschichten sowie auch die Übersetzungen von Esther Hansen sind von einer "ökonomischen Eleganz", wie die Rezensenten es ausdrückt. Sie handeln von Trauer und Trost, vom Abschiednehmen und sind dabei selbst ein Abschied.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.02.2024

Kritikerin Karen Krüger ist äußerst froh darüber, dass sich die italienische Autorin Michela Murgia dieses Buch noch in den letzten Monaten vor ihrem Tod an Krebs abgerungen hat: Sie rekapituliert kurz die Krankengeschichte, die dann auch Eingang in die zwölf hier versammelten Erzählungen findet. In "schnörkelloser, poetischer Sprache" erzählt Murgia von mehr oder minder zusammenhängenden namenlosen Menschenleben, von einer krebskranken Frau, ihrem Onkologen, einer auseinanderbrechenden Beziehung, von der "Zerbrechlichkeit ihres Selbst." Krüger bleibt da nur, die Kraft dieser Autorin zu bewundern, ihre Diagnose in starke Literatur zu verwandeln.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.02.2024

Rezensentin Nora Karches ärgert sich darüber, dass sie über das letzte Buch der Italienerin Michela Murgia so wenig Gutes sagen kann: Es handelt sich nicht um einen Roman, wie man anfangs mit Irritationsgefühlen denken könnte, sondern um zwölf mehr oder minder verknüpfte Erzählungen. Bisweilen kann man bei der Schilderung einer Frau mit Krebs in die Autofiktionsfalle tappen, warnt Karches, ein Mann, der sich vor seiner Ex-Freundin versteckt,  weckt aber eher starken Kitschverdacht, bedauert sie. In einigen wenigen der Geschichten gelingt es Murgia zwar, die gewohnte erzählerische Kraft aufzufahren, hinter ihrem Roman "Accabadora" bleibt dieses Buch aber dennoch zurück, resümiert die enttäuschte Rezensentin.