Nancy Fraser

Der Allesfresser

Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt
Cover: Der Allesfresser
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518029831
Kartoniert, 282 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Andreas Wirthensohn. Kapitalismus ist nicht nur ein Wirtschaftssystem, sondern eine Gesellschaftsform. Als solche ist er darauf angewiesen, sich auch nichtökonomische Ressourcen einzuverleiben und so langfristig seine eigenen Grundlagen zu zerstören. Wie der Ouroboros, die Schlange, die ihren eigenen Schwanz verspeist, verschlingt er natürliche Rohstoffe und unbezahlte Betreuungsarbeit. Er enteignet rassifizierte Gruppen und unterminiert die Macht demokratischer Institutionen, auf deren Funktionieren er eigentlich angewiesen ist. Damit erweist er sich als Motor hinter den diversen Krisenphänomenen, mit denen wir heute konfrontiert sind. In ihrem lang erwarteten neuen Buch zeichnet Nancy Fraser die historische Entwicklung des kapitalistischen Allesfressers über mehrere Epochen hinweg nach. Indem sie den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Krisen analysiert, zeigt sie zugleich auf, wie ein Sozialismus für das 21. Jahrhundert aussehen könnte. Klimawandel, Rassismus, Pflegekrise und demokratische Regression als Symptome desselben Problems zu begreifen weist den Weg zu neuen und starken gegenhegemonialen Allianzen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.03.2023

Der Historiker Werner Plumpe hält Nancy Frasers Sicht auf den "Kannibalen-Kapitalismus" für unterkomplex. Dass sich der Kapitalismus sozusagen selbst verzehrt, indem er sich seiner natürlichen und sozialen Grundlagen beraubt, so Frasers These, hält Plumpe zwar für ein nettes Bild, aber für kein realistisches oder logisches. Fraser geht es allerdings auch nicht um Realismus oder den eigentlichen Kern des Kapitalismus, meint Plumpe zu erkennen. Stattdessen möchte die Autorin "irgendwie" die Märkte begrenzen und einen Sozialismus installieren, dessen praktische Seiten sie lieber nicht erörtert, so der Rezensent kritisch. Der Kapitalismus ist nicht für alles verantwortlich, findet Plumpe.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 31.03.2023

Leander Scholz empfiehlt dringend das Buch der Politikissenschaftlerin und Philosophin Nancy Fraser zur Lektüre. Zu lernen ist, wie der Kapitalismus alles und jeden verschlingt und wie sämtliche Krisen darauf zurückzuführen sind, erklärt Scholz. Neu ist an Frasers Sicht auf den Kapitalismus laut Scholz, dass die Autorin nicht nur die Arbeitswelt in den Blick nimmt, sondern auch soziale und natürliche Ressourcen. Das ist provokant, führt feministische, ökologische und postkoloniale Ansätze zusammen und zeigt einen möglichen Weg in eine bessere Zukunft auf, meint Scholz.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.03.2023

Rezensent Caspar Dohmen sieht in Nancy Frasers Analyse eine Inspiration für alle, die einen Ausgang aus den Krisen der heutigen Zeit suchen. Verständlich und nachvollziehbar findet Dohmen die Ausführungen der Autorin, wenn sie den Kapitalismus als System beschreibt, der seine eigenen Grundlagen zerstört. Dafür reitet er mit ihr im Galopp durch mehrere Jahrhunderte Wirtschaftsgeschichte. Wenn Fraser am Ende gegen die neumodische Linke streitet, die nur dem Erhalt des Systems diene, und Bedingungen für einen neuen Sozialismus skizziert, nimmt der Rezensent dies gern als Gedankenfutter mit, weil sie anders als andere TheoretikerInnen über eine reine Analyse der Krise hinaus geht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.03.2023

Kapitalismuskritik ist zwar generell auf dem Vormarsch, aber Nancy Fraser geht das nicht weit genug, erkennt Rezensent Harald Staun, für sie ist der Kapitalismus längst zum alles fressenden Monstrum geworden. Dass der neue Band eine Sammlung von Essays und Reden ist, bedauert Staun, da sich ein Großteil der Thesen wiederholt, aber dennoch scheinen ihm Frasers Reflexionen als "aufschlussreich." Sie unterscheide etwa zwischen "expropriation", also Enteignung von vor allem Minderheiten, und "exploitation", der grundsätzlichen kapitalistischen Ausbeutung und verdeutliche, dass jeder potenziell auszunutzende Zweig des menschlichen Lebens in einem solchen System auch ausgebeutet werde. Ob Frasers Wunschvorstellung eines Ökosozialismus wirklich realistisch ist, weiß der Rezensent noch nicht, er freut sich aber, dass es mit diesem Buch zumindest möglich wird, sich ein Ende des kapitalistischen Systems vorstellen zu können.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.03.2023

Der Kapitalismus als allesverschlingendes Ungeheuer - das ist für den Rezensenten Robert Misik keine neue Metapher, aber hier begegnet sie ihm in einer neuen Radikalität. Nancy Fraser propagiert die Unmöglichkeit von kleineren Zwischenschritten hin zu einem gerechteren Sozial- und Wirtschaftssystem und die Notwendigkeit einer Art gesellschaftlichen Kahlschlags, fasst er seinen Eindruck zusammen. Die Autorin möchte keine halben Sachen machen, keine Kompromisse eingehen, wenn es darum geht, kapitalistischer Ausbeutung und Enteignung den Garaus zu machen - wie das genau funktionieren soll, erschließt sich für den Kritiker aber nicht und so hat die Lektüre auf ihn mehr deprimierende denn zum Handeln anregende Wirkung.